GÜNTER - UNVERGESSEN



1959 - 2020

Zu Beginn der Corona-Krise erreichte die KSV-Fanszene eine weitere sehr traurige und für uns alle überraschende Nachricht.
Wir haben aufgrund der aktuellen Situation für unseren Nachruf bewusst ein paar Tage ins Land ziehen lassen.

Mitte März verstarb einer der treuesten Begleiter unserer Löwen, Günter Kratz, viel zu früh mit nur 60 Jahren! Wenige Tage zuvor traf man Günter noch auf seinem Stammplatz im Block 30 der Nordkurve und auch beim Pokalspiel gegen Baunatal wehte Günters Fahne am Kunstrasenplatz.
Im Jahre 1978 verlor Günter sein Herz an unseren Kasseler Sport Verein. Wir wollen zurückblicken auf ein Leben, welches voll und ganz im Zeichen der Löwen stand.

Günter war ein Unikat in der rot-weißen Fangemeinde. Wirklich jeder, der es mit den Löwen hielt, kannte und schätzte ihn. Sich selbst betitelte er gern als langhaarigen Hippie. Günter war Freigeist und Kommerzverweigerer durch und durch. Wann immer es der Anfahrtsweg zuließ, waren die Bahn und das „Schöne-Wochenende-Ticket“ das Mittel der Wahl. Bereits in den früher 00er Jahren tauchte der Begriff „Zugpiraten Kassel“ in der rot-weißen Fanlandschaft auf und hält sich bis heute.
„Fußballfans sind keine Verbrecher“ – ein Statement, welches auf der Rückseite der Zugpiraten-Pullover schon früh zu lesen war. Günters Form des Protests, lange bevor dieser Schlachtruf überall in den Stadien des Landes gerufen wurde.
Nicht selten zeigte er den Schikanen der Staatsmacht oder Ordnungsdienste die kalte Schulter und verdeutlichte: „So nicht!“. Für viele unvergessen ist die Situation in Reutlingen, wo Günter aufgrund seines mitgeführten Schachspiels nicht ins Stadion gelassen wurde und das Spiel aus Protest von außerhalb verfolgte. Ja, zwischen all dem Trubel in Zugabteilen voller Löwenfans auf Anfahrtswegen zu Auswärtsspielen, gönnte sich Günter gerne mal eine Partie Schach.

In der Aufstiegssaison 2005/06 brachte Günter die Löwenfans auch bundesweit ins Gespräch und gab der 11FREUNDE ein Interview. Wenn man fortan in Zügen unterwegs war um den KSV auswärts zu sehen, wurde man auch mal von wildfremden Zugreisenden gefragt, ob denn dieser lustige, langhaarige Vogel aus der 11FREUNDE auch dabei wäre. „Dort hinten beim Schachspielen!“, lautete meist die Antwort. Nach Anerkennung rief er dennoch nie – alles was Günter tat, tat er für den Verein.
Neben dem Schachbrett und seiner legendären Zaun- und Schwenkfahne fand sich zu dieser Zeit auch stets ein Diktiergerät in seinem Stadionbeutel. Unvergessen seine Dokumentation vom „Wunder von Bornheim“ 2006. Für die Generation U35 wohl bis heute der schönste Tag der eigenen Fankarriere.
Auch das Schreiben war Günters Passion. Kurz nach der Jahrtausendwende, lange vor facebook und anderen Social Media-Kanälen, war das offizielle Internetforum des Vereins die Austauschplattform schlechthin außerhalb des Spieltags. Günter war dort absoluter Aktivposten und gestaltete viele fruchtbare Diskussionen rund um die Weiterentwicklung unseres emporsteigenden Vereins nach der Neugründung.
Aus diesem Forum heraus entstand eine weitere Leidenschaft Günters. Für einige Zeit schlug er sich mit der virtuellen Online-Liga „Club Vote“ die Nächte um die Ohren und begeisterte auch andere Foren-User so sehr damit, dass der KSV tatsächlich Bundesligist in dieser Disziplin wurde. Doch auch wenn sich die ganze Nacht um virtuelle Punkte duelliert wurde – nur kurze Zeit später stand Günter auf seinem Stammplatz in der Nordkurve um unsere Truppe beim Kampf um echte Punkte zu unterstützen.
Immer wenn ein Fanzine über die Fanlandschaft in Kassel berichten wollte, war Günter in diesen Jahren erster Ansprechpartner. Im Erlebnis Fußball 2004 waren es Günter und Lämmi, die davon berichteten, dass in Kassel keine Ultras gebraucht werden und man hier Oldschool bleiben möchte. Nur kurze Zeit später war er aber einer der ersten Fans aus der traditionellen Szene, die den Aufbau der jungen Kasseler Ultra-Szene mit Worten und Taten aktiv unterstützten. Günter warb unter den Kutten und Oldschool-Supportern für Verständnis, für die in Kassel bis dato ziemlich unbekannte und unverstandene Ultra-Kultur.
Im offiziellen Stadionmagazin „Hessenlöwe“ legte Günter über Jahre mit der Kolumne „Günters Gedanken“ den Finger in die Wunde. Als es Teilen der Vereinsführung einmal zu kritisch wurde, zeigte er klare Kante und stand für weichgespülte Alibi-Kolumnen nicht weiter zur Verfügung. Fortan erschienen „Günters Gedanken“ im aufgeSChrieben, dem ersten Spieltagsmagazin der Scena Chassalla 913.

In den letzten Jahren wurde es ruhiger um unseren Freund. Zwar war Günter Kratz noch immer bei fast jedem Heim- und Auswärtsspiel der Löwen zugegen, seine Präsenz außerhalb des Spieltags hingegen ließ merklich nach.
Feierlichkeiten wie das legendäre Sommerfest der Red White Stars in Lohne, fröhliche Abende und Nächte im Kreise seines Fanclubs Witzenhausen oder der Ultras und unzählige Auswärtsfahrten mit unserem Verein bleiben in ewiger Erinnerung. Darauf einen großen Schluck aus der FAXE-Dose!

Hessen Kassel war dein Leben und wir werden dir ein würdiges Andenken in unserer Kurve bereiten.

Mach´s gut alter Freund und Ruhe in Frieden!

GÜNTER – UNVERGESSEN!



04.04.2020